traditionell japanisch Wohnen – Machiya
Traditionell japanisch Wohnen kann man zum Beispiel in einem Stadthaus oder Machiya auf Japanisch. Hierzu hatte ich die Gelegenheit in einer deutsch-japanischen Studenten-WG in der Stadt Kanazwa. Von meinen Erlebnissen während der Regenzeit und kurioses Hintergrundwissen zur japanischen Wohnkultur erfährst du in diesem Beitrag.
Die Machiya WG befand sich nicht in einem schnöden Wohnheim oder einer langweiligen Mietwohnung. Nein, wir wohnten ganz luxuriös in einer Machiya! So nennt man die traditionellen japanischen Stadthäuser, wie sie in Kanazawa noch häufig zu finden sind. Zu dritt stand uns die gesamte Machiya zur Verfügung. Meine Mitbewohnerinnen Hikari, Anne und ich konnten uns auf zwei Etagen ausbreiten. Die Küche und das Bad im Erdgeschoss waren gerade kernsaniert und alle übrigen Räume frisch ausgelegt mit nagelneuen Tatami aus Reisstroh. Dieser traditionelle Bodenbelag trägt eindeutig zum Charme einer typisch japanischen Inneneinrichtung bei:
traditionell japanisch Wohnen - Reisstroh statt Parkett
Weich und federnd für Füße wie Rücken, frisch duftend nach Reisstroh und Binsen, schaffen Tatamis eine Wohnatmosphäre, die jeder Japaner (und vermutlich auch der ein oder andere Europäer) als urgemütlich empfindet. Traditionell japanisch zu Wohnen ist nicht umsonst bei Einheimischen wie auch Touristen beliebt.
Über die Geschichte und Herstellung ließe sich noch sehr viel mehr schreiben. So viel sei gesagt, die in mühevoller Handarbeit produzierten Tatami Matten machten unsere kleine Machiya WG zu einem heimeligen Domizil in der Fremde. Zumindest bis zum Eintreffen der Regenzeit im Juli. Bei den schwül warmen Temperaturen glich jeder Aufenthalt im Freien einem gratis Saunabesuch. Dennoch sammelte sich fröhlich der Staub in meinem Zimmer. Am Vortag hatte ich dort komische weiße Fusseln entdeckt und pflichtbewusst die Tatami feucht abgewischt.
An diesem Tag blieb es trocken und die Sonne strahlte in unser Wohnzimmer. Wohl auch deswegen bemerkte ich die kleinen schwarzen Punkte auf dem Fußboden. Ich teilte diese Beobachtung mit Anne und fragte sie, was das wohl sein könnte. Ihre geschockte Antwort: „Das ist SCHIMMEL !“
Auch Anne hatte am Vortag eine kuriose Entdeckung gemacht: fast alle ihre Schuhe waren im Schrank verschimmelt und nur noch gut für den Müll. Jetzt waren wir also beide alarmiert und schauten genauer hin, verrückten Tische und Möbel. Das Ergebnis: Alles voller SCHIMMEL! Weiß und schwarz, lustig durcheinander, überzog ein ganz neuartiger Belag unseren Wohnzimmerboden. ‚Ach du grüne Neune!‘, dachten wir uns vermutlich beide. Zugegeben: Die Tatami Matten hatten sich seit einiger Zeit tatsächlich dezent feuchter angefühlt, aber damit hatten wir nicht gerechnet. Man lernt eben nie aus. Traditionell japanische zu Wohnen will gelernt sein.
my home is my castle - von japanischer Wohnkultur
Da traf es sich gut, dass unsere Nachbarn Herr Suzuki eine Tatami-Werkstatt betrieben. Nicht nur das: Ihr kleiner Familienbetrieb bestehend aus Vater und Sohn war es auch, der unsere Machiya mit frischen Tatami ausgestattet hatte. Das war ein absoluter Glücksfall. Die Zahl der handwerklichen Betriebe ist seit Jahren rückläufig, da viele Japaner moderne Bodenbeläge aufgrund der geringeren Kosten und einfachen Handhabung inzwischen bevorzugen. Man könnte fast sagen, auch viele Japaner sind es heutzutage nicht mehr gewohnt, komplett nur auf Tatami ihren Alltag zu gestalten. Damals noch ganz normal, gelten Tatami heutzutage mitunter schon als Luxus.
In dem Wissen ging ich los zu meinen Nachbarn und schilderte Herrn Suzuki unser Schimmelproblem. Zwar war er zunächst überrascht über das Ausmaß unser kleinen Katastrophe, fügte aber direkt hinzu, dass so ein Problem schon einmal vorkommt.
Auf die sprichwörtliche japanische Höflichkeit und nicht zuletzt Hilfsbereitschaft in Krisenzeiten war also verlass und mein Gewissen schon ein wenig beruhigt. Als Fachmann war er sofort bereit, sich vor Ort ein Bild zu machen. Ein wenig neugierig, wie wir in der Machiya WG wohnen, war er natürlich auch.
Sein erster Tip lautete, alle Fenster und Türen weit zu öffnen und die Klimaanlage auf „Trocknen“ zu stellen. Weiterhin sollten wir alle verfügbaren Stand-Ventilatoren auf den Boden richten und bei voller Leistung ein paar Stunden laufen lassen. Auf diese Weise sollte der feuchte Schimmelteppich zunächst trocknen. Im zweiten Schritt könne man das Zeug ganz simpel mit einem Staubsauger entfernen. Wenn all diese Maßnahmen bis zum Abend keinen Erfolg bringen sollten, dann würde er sich noch etwas anderes überlegen. Bis dahin wünschte er uns vorsorglich ein optimistisches „Viel Glück!“.
Tatsächlich konnten wir noch am selben Tag mit dem Staubsauger kinderleicht alles absaugen. Der Schaden war behoben und unsere Stromrechnung wahrscheinlich astronomisch gestiegen, aber die Tatami waren so gut wie neu.
japanisch Wohnen bei 90% Luftfeuchtigkeit
Schimmelnde Tatami feucht abzuwischen und erst im Anschluss die Klimaanlage anzustellen, ist übrigens genau der falsche Weg. Diesen Tipp hatte mir der Juniorchef der Tatami-Werkstatt noch mit auf den Weg gegeben. So würde der Schimmel nur tiefer in die Binsen ziehen und das Risiko begünstigen, dass die Matten von unten her durchfaulen. Gut zu wissen, falls man Japan zu dieser Jahreszeit besuchen möchte.
Auch ohne Tatami kann es während der kurzen Saison zwischen Frühjar und Sommer schnell passieren, dass jegliche Textilien (besonders in geschlossenen Schränken) einen Pilzbefall entwickeln. Hinzu kommt, dass die wenigsten Privathaushalte in Japan über einen elektrischen Wäschetrockner verfügen. Die Wäsche auf dem Balkon oder im Bad zu trocken ist durchaus üblich. Doch selbst bei einer guten Ventilation im Bad ist Wäschetrocken bei der sehr hohen Luftfeuchtigkeit zwischen Juni bis Juli nicht leicht. Viele Japaner behelfen sich mit praktischen Entfeuchtern, die in jedem Drogeriemarkt preisgünstig erhältlich sind.
Übernachtung in der Machiya - Tipps und Links
Traditionell japanisch zu Wohnen hat durchaus seine Tücken, wobei mein Erlebnis mit Sicherheit die seltene Ausnahme darstellt. Wer einen längeren Aufenthalt in einer Machiya plant, sollte durchaus die wechselnden Jahreszeit im Hinterkopf behalten.
Neben der Regenzeit bringen Sommer und Winter abermals ganz andere saisonale Herausforderungen mit sich. Sich ein wenig mit den verbauten Materialien zu befassen, lohnt sich ebenfalls. Eine kurze Einführung in das Innenleben einer Tatami findet man zum Beispiel beim Futonwerk.
Genaueres zu den Machiya in Kanazawa findet man auf der Website der NGO Kanazawa Machiya
(bisher nur auf japanisch). Hier findet man neben nützlichen Informationen zum Erhalt der traditionellen Stadthäuser auch viele anschauliche Fotos. Wer vor Ort ist, dem hilft ein illustrierter Stadtplan weiter,
auf dem viele der Machiya verzeichnet sind.
In einer traditionellen Machiya zu übernachten ist mit Sicherheit eine einzigartige Erfahrung und wer kann, sollte es unbedingt einmal selbst auszuprobieren.
Schreibe mir gerne einen Kommentar und lass mich wissen, was dir am japanischen Wohnstil gefällt. Vielleicht warst du selber auch schon einmal in einer Machiya? Ich freue mich, von dir zu hören.
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